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Zwei Frauen mittleren Alters vor einer weissen Wand.

“Positive Energie gepaart mit konkreten Erfolgen ist phänomenal”

Seit fast zehn Jahren setzt terre des hommes schweiz im südlichen Afrika das Programm Youth2Youth um, mit dem Jugendliche in der Anwendung des lösungsorientierten Ansatzes ausbildet werden. Doch wie erfolgreich ist dieses Programm wirklich? Dieser Frage gingen die Psychologin Berenice Meintjes und die Expertin für Bildung Sharon Grussendorf mit einer unabhängigen Evaluation nach.
Interview geführt von Sascha Tankerville

Für die Evaluation zur Wirkung des Youth2Youth-Programms und des lösungsorientierten Ansatzes (SFA) habt ihr unsere Partnerorganisationen in Südafrika, Tansania, Zimbabwe und Moçambique besucht. Mit welchen Erwartungen habt ihr die Recherche begonnen?

Berenice Meintjes: Ich wurde ja schon früher bei einer SFA-Konsultation von terre des hommes schweiz beigezogen. Damals war ich sehr skeptisch. Aber seitdem ich SFA in meiner eigenen Arbeit ausprobiert habe, bin von seinem Wert restlos überzeugt. Mit der Evaluation wollte ich nun überprüfen, was mit SFA im südlichen Afrika umgesetzt wurde und welche Herausforderungen sich dabei zeigten. Ich möchte verstehen, wie sich der lösungsorientierte Ansatz auf Entwicklungen im ruralen, afrikanischen Kontext und die jeweiligen lokalen Gegebenheiten anpassen lässt.

Sharon Grussendorf: Ich kannte SFA bisher nicht und stand dem Konzept sehr kritisch gegenüber. Ich ging lediglich davon aus einige kleine Beispiele von SFA-Initiativen kennenzulernen, die in Südafrika umgesetzt wurden. Die Reichweite und das Ausmass der Wirkung, die in extrem unterversorgten und abgelegenen Regionen erreicht wurde, haben mich überwältigt.

Welche Erfahrungen habt ihr während der Recherche gemacht?
Meintjes: Es war sehr interessant zu sehen, wie die jungen Menschen in diesen Projekten arbeiten. Ihre Offenheit mit der sie ihre früheren Probleme selbst thematisieren und ihre Fähigkeit diese in ein kraftvolles Instrument zu verwandeln, mit dem sie andere Jugendliche dabei unterstützen ihre volles Potenzial zu erreichen, berührten mich zutiefst.

Grussendorf: Es war aufbauend, wie sehr sich Optimismus und Handlungsfähigkeit in allgemein hoffnungslos scheinenden Situationen verändert haben. Viele der Jugendlichen berichteten, dass sie früher in einer Art untätiger Verzweiflung einfach zu Hause rumsassen, fern sahen oder einfach nichts taten. Zu sehen, wie sie es durch Y2Y und die SFA-Programme schaffen, selbst aktiv zu werden, konkrete Schritte zu unternehmen und so ihre Lebenssituation zu verändern und an einer besseren Zukunft zu arbeiten, das gibt Auftrieb.

Welche Wirkung hat SFA denn beispielsweise auf einzelne Personen und auf Gemeinschaften, die von geschlechtsspezifischer Ungleichheit und Gewalt betroffen sind?
Meintjes: Unsere Recherche hat gezeigt, dass SFA den Jugendlichen hilft die Geschlechterungleichheit und deren Auswirkung speziell auf junge Frauen zu verstehen. Dadurch lernen sie auch diese Ungleichheit anzugehen und auf das Wohl aller Geschlechter hinzuarbeiten.

Grussendorf: Ich war dabei auch sehr beeindruckt von der Leidenschaft welche auch junge Männer, wie zum Beispiel die Jungen bei der Partnerorganisation Amudem in Moçambique, für dieses Thema aufbringen und wie sie sich für die Rechte der jungen Frauen stark machen – das hat mich wirklich umgehauen.

Das heisst die Jugendlichen erkennen die Ungleichheit. Verändert sich dadurch aber auch das Verhalten der Betroffenen oder vielleicht sogar ihrer Gemeinschaft?
Meintjes: Auf jeden Fall. Das zeigt auch folgendes Beispiel: Für viele Jugendliche in den Projekten ist es sehr wichtig, dass sie andere Jugendliche erreichen und unterstützen können. Je mehr Erfahrung sie dabei mit SFA haben, desto häufiger konnten sie konkret aktiv werden. Viele berichten unter anderem, dass sie nach dem SFA-Kurs Familienmitglieder die Hand reichen und zerbrochene Beziehungen kitten konnten. Sie setzen sich ein, um zu Hause mehr gegenseitigen Respekt und Achtsamkeit aufzubauen. Sie ändern ihr eigenes Verhalten und sind verantwortungsvoller. Sie nehmen weniger schädliche Substanzen zu sich, gehen sexuell weniger Risiken ein und besuchen regelmässig die Schule.

Grussendorf: Und sie sind realistischer und aktiver in ihrer Zukunftsgestaltung. Träumten sie vorher ohne aktive Schritte zu unternehmen von unrealistischen, unbestimmten Zielen – Präsident oder CEO einer Firma zu werden – orientieren sie sich nun an konkreten, realisierbaren Zielen, wie Sozialarbeiter oder Lehrer, auf die sie aktiv hinarbeiten können.

Wenn ihr auf die Evaluation zurückblickt, wie hat sie euch persönlich berührt?
Meintjes: Ich war an einem Punkt an dem ich fast an unserer Rolle als Entwicklungsarbeiter verzweifelte. Ich fragte mich oft, was soll das alles? Aber diese Evaluation hat mir die wahre Kraft und Energie der jungen Leute gezeigt, mit der sie ihre Situation ändern und einander unterstützen können. Diese positive Energie verbunden mit konkreten, greifbaren Erfolgen ist phänomenal. Sie verändert ganze Gemeinschaften und bewirkt echte Zusammenarbeit. Wir haben gesehen, wie sich die allgemeine Einstellung gegenüber den Jugendlichen verbessert und die Ältesten dadurch mehr Weisheit gewonnen haben.
Grussendorf: Ich sehe die Situation in Südafrika heute viel hoffnungsvoller. Mein Glaube an den menschlichen Geist ist gewachsen. Jetzt möchte ich selbst ein Training in SFA absolvieren und SFA-Trainerin werden.

Wer sind die beiden Evaluatorinnen?
Die Psychologin Berenice Meintjes hat über 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit. Anfangs konzentrierte sie sich in ihrer Arbeit auf die Traumabewältigung während und nach den politischen Gewaltausbrüchen in KwaZulu-Natal. Später wirkte sie an verschiedenen nationalen Projekten zum Wohl gefährdeter Kinder und Jugendlicher mit. Sie war zudem beteiligt an der Entwicklung eines entsprechenden Überwachungs- und Evaluationssystems des Departementes für Soziale Entwicklung Südafrikas.

Die Quantenrechnunsphysikerin Sharon Grussendorf engagiert sich seit langem mit Südafrikanern aus benachteiligten Verhältnissen, Jugendlichen wie Lehrern, an der Entwicklung des südafrikanischen Bildungssystems.Sie realisiert zunehmend die Notwendigkeit dabei auch einen Fokus auf psychische und soziale Unterstützung zu legen. Sie begann sich für einen ganzheitlichen Bildungsentwicklungsprozess zu interessieren, der die Stärken der Lernenden und die lokalen Quellen miteinbezog, anstatt sich auf unerreichbare Ausrüstung und Lehr- und Lernansätze zu verlassen. Sie war an der Überwachung und Überprüfung nationaler Bildungsprojekte sowie an internationalen Vergleichen der Lehrpläne, Lehrmethoden und Standards beteiligt.

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