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Zwei peruanische Jugendliche powern durch die Corona-Krise

Die Corona-Krise stellt die Menschen in der peruanischen Hauptstadt Lima und den anderen Grossstädten vor ernste Schwierigkeiten. Hunderttausende haben seit dem Lockdown keine Lebensgrundlage mehr. Die Folgen sind auch bis in die abgelegenen Andendörfern rund um Huancavelica zu spüren. Dort leisten die jugendlichen Brüder Jhoel und Jhon einen zusätzlichen Effort für die Familie und ihre Zukunft.

Jhoel Ortiz sitzt auf seinem Bett und hat sein Heft aufgeschlagen. Es ist Schule. Auf dem Gestell neben ihm flimmert im Fernseher, was die selbst gebastelten Antennen auf dem Dach empfangen. Es ist der virtuelle Schulunterricht der sechsten Primarklasse. Den Fernseher hat die Familie extra dafür angeschafft. Auf den anderen Kanälen liefe bestimmt Spannenderes. Der 11-Jährige widersteht der Versuchung und notiert sich die Fragen des Lehrers. «Was ist der Unterschied zwischen einem Brauch und einer Tradition?» Nach der Sendung schaltet Jhoel ab und setzt sich an den Tisch und überlegt sich die richtigen Antworten.

Seit dem Lockdown der Regierung am 15. März sind Jhoel und sein 15-jähriger Bruder Jhon gefordert. Nicht nur müssen sie selbstverantwortlich mit dem Fernseher am Unterricht teilnehmen, mit der Krise ist auch die Lebensgrundlage der Familie Ortiz weggebrochen.

Vater Valentin ist schon 82 und bekommt im Dorf in der Nähe von Huancavelica schon lange keine Maureraufträge mehr. Wie 70 Prozent der Peruanerinnen und Peruaner arbeitete er immer im informellen Sektor ohne Arbeitsvertrag und ohne Pensionskasse. Mutter Juana, 55, kümmert sich um das Haus, pflegt ihren Mann und pflanzt rundherum so viel Kartoffeln und Gemüse wie möglich an. Zum Überleben reicht das aber nicht.

Über Nacht kein Einkommen mehr

Valentin und Juana haben beide erwachsene Kinder aus früheren Beziehungen, die Geld aus Lima überwiesen – umgerechnet etwa 36 Franken monatlich. Seit dem Lockdown kommt kein Geld mehr. Jhons und Jhoels Halbgeschwister haben in Lima selbst zu kämpfen.

Mit dem Lockdown blieben in den peruanischen Grossstädten für die unteren Einkommensschichten quasi über Nacht sämtliche Einkünfte weg. Bei informellen Anstellungen gibt es keinen offiziellen Arbeitsvertrag, keine Kündigungsfrist und keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Für Vorräte oder gar Kühlschränke fehlte vielen schon vor dem Lockdown das Geld. Die Menschen hungern.

Die Zahl der Ansteckungen in Peru liegt jetzt bei knapp einer halben Million Menschen. Rund 20’000 Menschen sind an den Folgen des Virus gestorben. Und das sind nur die offiziellen Zahlen.

Brüder übernehmen Verantwortung

Auch die Cuy-Zucht von Jhoel und Jhon leidet unter dem Lockdown. Schon vor der Krise nahmen die beiden neben der Schule am Programm ADECAP von terre des hommes schweiz teil. Dort lernen sie in Workshops, wie sie die traditionelle Cuy-Zucht rentabel gestalten können, um sich langfristig eine Existenzgrundlage in den Anden aufzubauen.

Die Meerschweinchen-Art gilt in Peru als Delikatesse und verkauft sich an den städtischen Märkten gut. Seit diese offiziell zu sind, entfällt auch dieses Einkommen. Die beiden machen mit der Zucht aber trotzdem weiter, mähen Futtergras für die Cuys und säubern deren Stall. So müssen sie nach der Krise nicht von vorne beginnen.

In der Krise zeigen die beiden Jugendlichen echte Initiative. Um das verlorene Einkommen etwas wett zu machen, opfern sie samstags und sonntags ihre Freizeit und helfen zusammen mit der Mutter auf einem anderen Bauernhof aus. Dieses Einkommen dürfte die Familie durch die Corona-Krise bringen. Langfristig ist das aber keine Lösung.

Das Geld kommt gerade rechtzeitig. Die Lehrer der beiden melden sich, sie würden die Hausaufgaben von Jhon und Jhoel gerne sehen. Um das Schuljahr zu absolvieren, brauchen sie also ein Handy oder einen Laptop – Luxusgüter in den Andendörfern. Jhon hat Glück. Er kann ein altes, bezahlbares Handy kaufen. Es reicht, auch wenn der Bildschirm immer wieder ausfällt. Die Hausaufgaben hochzuladen kostet wöchentlich 10 Soles oder etwa 2.55 Franken. Besonders in dieser Situation ist das viel Geld.

Peru muss die Krise so schnell wie möglich überwinden, damit Jugendliche wie Jhon und Jhoel wieder richtig zur Schule gehen und sich mit der Cuy-Zucht eine Zukunft aufbauen können.


Die Partnerorganisationen von terre des hommes schweiz bekämpfen die Ausbreitung des Virus mit Präventions- und Sensibilisierungs-Massnahmen in allen 10 lateinamerikanischen und afrikanischen Projektländern. Hier können Sie uns dabei unterstützen.

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