Wer zahlt den Preis für die grüne Wende?

Nicht umsonst wird Lithium als weisses Gold bezeichnet: Der Boom von Elektrofahrzeugen verspricht jenen Reichtum, die den Rohstoff abbauen und verarbeiten. In Brasilien und Simbabwe floriert deshalb der Abbau von Lithium. Doch rund um die Minen bleibt oft nichts als Staub zurück.

Weit hinten im hohen Maisfeld schneidet eine Frau reife Kolben ab. Es wird ihre letzte Ernte sein. Vor und hinter ihrem Feld ziehen sich drei Meter tiefe Gräben durch die Erde. Nach dieser Ernte werden die beiden Abschnitte zu einem Graben verbunden werden, der mitten durch das Feld verläuft.

Dies spielt sich in Bikita, Simbabwe, nahe der gleichnamigen Lithiummine ab. Lithium ist aufgrund der fortschreitenden Dekarbonisierung und dem damit verbundenen Boom von Elektroautos zu einem global strategisch wichtigen Rohstoff geworden. Zwischen 2016 und 2022 hat sich die Nachfrage mehr als verdreifacht.

Auch in den beiden terre des hommes schweiz-Programmländern Brasilien und Simbabwe wird Lithium abgebaut. In Brasilien konzentriert sich der Abbau auf die im Osten des Landes gelegene Region Minas Gerais. In Simbabwe, das über die grössten Lithiumreserven in Afrika verfügt, herrscht seit 2022 ein regelrechter Lithiumrausch mit mehreren über das Land verteilten Minen. Anhand von drei Fallbeispielen hat unsere Partnerorganisation Keesa die Folgen des Lithiumabbaus für die lokale Bevölkerung in Simbabwe untersucht.

Neues Zuhause, kaum Perspektiven

Schild mit Information zu einer Mine - Simbabwe - terre des hommes schweiz
Foto: CNRG

Der Lithiumabbau ist mit erheblichen Herausforderungen verbunden, die in Brasilien und Simbabwe sehr ähnlich sind. Dazu zählen beispielsweise Umweltverschmutzungen, unter denen Menschen und Tiere leiden. So verursacht der Lithiumabbau, der im Tagebau stattfindet, sehr viel Staub. Dieser legt sich auf Feldern, in Küchen und Geschäften nieder und wird mit den vermehrt auftretenden Lungenkrankheiten in den Minengegenden in Verbindung gebracht.

Die Menschen leiden auch unter massiven Lärmemissionen durch die Detonationen, mit denen in den Minen gearbeitet wird. In Minas Gerais, Brasilien, kommt der Lärm von hunderten Maschinen hinzu, die die ganze Nacht laufen.

Durch die Minentätigkeit geht immer Lebensraum für die Bevölkerung verloren, die in diesen Regionen meist von Subsistenzlandwirtschaft und Tauschgeschäften lebt. Was das konkret bedeutet, zeigt das Beispiel von Buhera, Simbabwe. Hier wurden 22 Familien in die nahe gelegene Kleinstadt Murambinda, 17 Familien im ländlichen Umfeld umgesiedelt. Laut Auskunft von Betroffenen in Murambinda, die dadurch ihre Einkommensquellen verloren haben, reicht die Entschädigung bei weitem nicht aus, um sich ein neues Leben aufzubauen. Die Familien mussten ihr Vieh zurücklassen und die kleinen Gärten um die Häuser sind zu klein, um genügend Lebensmittel anzupflanzen. Neue Einkommensquellen sind schwierig zu erschliessen und die Tatsache, dass die neu Hinzugezogenen die bereits knappen Ressourcen mitnutzen, führt zu sozialen Spannungen im Ort.

Gräben als Vorboten

Tiefe Gräben zerschneiden
Felder und Wege in Simbabwe. Staub raubt die Luft zum Atmen.
Fotos Keesa
Fotos: Keesa

Neben organisierten Umsiedlungen kommt es auch zu mehr oder weniger direkten Vertreibungen, bei denen den Leuten entweder mitgeteilt wird, dass sie nun gehen müssen, oder ihnen das Leben so schwer gemacht wird, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt. So wie im am Anfang beschriebenen Beispiel in Bikita, wo der Maisanbau verunmöglicht wird. Die an Schützengräben erinnernden Gräben, die wohl Vorboten von Minenerweiterungen sind, werden laut Aussagen von Anwohner*innen unangekündigt mitunter in unmittelbarer Nähe von Häusern gegraben. Sie schneiden Menschen und Tieren den Zugang zum Wasser ab und haben auch zur Folge, dass Kinder auf dem Schulweg lange Umwege gehen müssen. Statt kleine Pfade zu nehmen, müssen sie nun entlang der Schnellstrasse gehen, auf denen die grossen, das Lithiumerz transportierenden Lastwagen vorbeibrausen und Staubwolken nach sich ziehen. In Bikita sind aufgrund der Grabungsarbeiten auch schon mehrere Häuser eingestürzt – ihre Bewohner*innen wurden sich selbst überlassen.

Die Hoffnung auf Arbeitsplätze 

Bergbauprojekte sind immer auch mit grossen Hoffnungen und Versprechungen verbunden, insbesondere wenn es um die Schaffung von Arbeitsplätzen für die lokale Bevölkerung geht. Für diese werden eventuelle negative Auswirkungen in Kauf genommen. In allen drei Fallbeispielen in Simbabwe, die von Keesa untersucht wurden, versprachen die Betreiberfirmen, dass 50 Prozent der neuen Stellen an Personen aus umliegenden Ortschaften vergeben werden. Die Realität sieht laut Berichten der Menschen vor Ort anders aus. Selbst für niedrigqualifizierte Arbeiten würden häufig Leute von ausserhalb angestellt und die Rekrutierungsprozesse gelten als intransparent und von Machtmissbräuchen geprägt. Neben den negativen Effekten des Bergbaus für die lokale Bevölkerung, birgt der steigende Bedarf an Batterien als Energiespeicher für Länder mit Lithiumreserven auch Chancen. Aktuell werden die meisten Batterien für Elektrofahrzeuge noch in China produziert. Doch sowohl Brasilien als auch Simbabwe haben das Potenzial, einen grösseren Teil der Wertschöpfungskette im Land zu behalten, indem die Verarbeitungsmöglichkeiten des Roherzes ausgebaut werden. Würde der Reichtum dann noch an die Bevölkerung weitergegeben, wäre ein Schritt getan, dass diese auch angemessen vom weissen Gold profitiert.

Erfahren Sie in der Studie unserer Partnerorganisation Keesa mehr über die Auswirkungen des Lithiumabbaus auf die Bevölkerung in Simbabwe!

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