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Ein Jugendlich wird Hilfe seiner Freunde durch einen spinnennetzartigen Seilaufbau hindurchgereicht.

Die Zukunft beginnt, wo die Strasse endet

Matabeleland South ist eine der ärmsten Regionen Zimbabwes. Jugendliche, die hier die Eltern verlieren, übernehmen oft die Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister. Da sie Geld verdienen müssen, können sie kaum zur Schule gehen und verlieren so ihre Zukunftsperspektiven. Das Jugendlager der Organisation Esandleni Sothando Trust bietet ihnen in dieser Situation eine Chance auf einen Neustart. Eindrücke von einem Projektbesuch.
Markus Bütler, Programmkoordinator Zimbabwe

Staubtrockenes Buschland, karge Böden, ein paar Rinder, vereinzelt eine Lehmhütte mit Strohdach ziehen am Autofenster vorbei. Nach langer Fahrt über holprige Staubpisten, durch Schlaglöcher und trockene Bachläufe, erreichen wir das Dorf Figtree in der Region Matabeleland South im Süden Zimbabwes. Unser Ziel ist ein Jugendlager für 14- bis 16-jährige Waisen, die in sogenannten Kinderhaushalten (von Kindern ohne erwachsene Betreuung geführten Haushalten) leben. Organisiert hat es Beven Mwachanda und seine Organisation Esandleni Sothando Trust (EST), die terre des hommes schweiz seit einem Jahr unterstützt. “Beven arbeitet dort, wo die Strasse endet”, sagt der Fahrer lakonisch – es klingt, als meine er eigentlich “dort wo keine Hoffnung mehr ist.”
Ein gemeinsamer Ort, nur für sie selbst
Da stehen wir nun vor dem bescheidenen Gemeindehaus, in dessen Inneren uns eine dichtgedrängte fröhliche Gruppe Jugendlicher, Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner sowie Abgeordneter verschiedener lokaler Komitees erwarten. Uns wird gleich klar, dass uns hier ein besonders eindrückliches Erlebnis erwartet. Denn trotz aller Kargheit ist der Raum liebevoll mit Bildern und Gegenständen geschmückt, die während des Lagers in Gruppenarbeiten entstanden sind. So haben die Jugendlichen beispielsweise gerade einen Lebensbaum gezeichnet, in dem sie ihre Ängste und Sorgen, aber auch Hoffnungen, Ziele und Wünsche dargestellt haben.
Zeit sich zu finden
Dies allein ist schon eine Besonderheit. Die Waisen aus Kinderhaushalten gehören zu den gefährdetsten Jugendlichen der Region. Die Bevölkerung dieses abgelegenen, infrastrukturarmen Landstrichs ist mittellos. Kaum jemand hat genug zum Leben. Das Risiko der Waisen, im Stich gelassen zu werden, ist hier sehr gross. So kämpfen sie täglich um ihr eigenes und das Überleben Überleben ihrer Geschwister. Eine Ausbildung oder das Erarbeiten von Zukunftsperspektiven hat in ihrem Leben keinen Platz. In dem Jugendlager haben sie aber zum ersten Mal Zeit, sich mit ihrem Leben auseinanderzusetzen. Hier können sie durch erlebnispädagogische und psychosoziale Begleitung ihre Traumata angehen und ihre eigenen Ressourcen kennenlernen.
Neue Erfahrungen, neue Hoffnung
50 Jugendliche leben während dieser Woche im Raum des Gemeindehauses zusammen, wo tagsüber auch verschiedene Spiele, Übungen oder Kurse stattfinden. Gekocht wird im Vorhof, wo sich die Jugendlichen nun zu Trustgames (Vertrauensübungen) versammeln. Uns imponiert der Enthusiasmus, mit dem sich die Jugendlichen auf die Spiele einlassen, bei denen beispielsweise eine Person von der Gruppe auf Händen oder ganz ohne eigenes Zutun durch eine Art Spinnennetz getragen wird. Die Übungen verlangen allen viel Vertrauen ab. Manche sind scheu, müssen sich überwinden mitzumachen. Andere sind gleich ganz euphorisch. Auffallend ist aber, dass schliesslich alle mit grosser Freude dabei sind. Die Erfahrung, sich bedingungslos auf einander verlassen zu können, ist völlig neu für sie. Das Spiel fördert ihre soziale Kompetenz und hilft ihnen, ihre Ängste zu überwinden.
Jetzt sehen wir so viel Licht, Hoffnung und Freude”
Der Nachmittag in Figtree vergeht im Flug. So kurz der Besuch war, so hat er doch nachhaltigen Eindruck hinterlassen – zum Beispiel mit welch bescheidenem finanziellen Aufwand, aber umso grösserem persönlichen Engagement, so viele junge Menschen erreicht werden. “Es ist bemerkenswert, wie tief die angewandten Methoden alle im Herzen rührten. Vorher schienen diese Jugendlichen keine Zukunft zu haben. Aber jetzt sehen wir so viel Licht, Hoffnung und Freude”, staunt ein Mitarbeiter des örtlichen Kinderschutzkomitees, “selbst Vertreter der Dorfbevölkerung nehmen Anteil und wollen die Waisen unterstützen.” Und so fahren wir weg, tief bewegt und wohl wissend, dass die Staubpiste hier endet. Die Jugendlichen aber haben an diesem Ort nicht das Ende, sondern den Anfang ihres Weges gefunden.
Über Beven Mwachanda und der Esandleni Sothando Trust
Die Biografie von Beven Mwachanda wiederspiegelt die Schicksale der jugendlichen Teilnehmer des Jugendlagers in Figtree. Als er 15 Jahre alt war, starben seine Eltern kurz hintereinander an Krebs. Als ältestes von drei Kindern übernahm er die Verantwortung für die zwei jüngeren. Allein und verarmt lebten sie in einem miserablen kleinen Verschlag. In dieser Situation erhielt der heute 30-jährige Beven Mwachanda die Chance, an einem ähnlichen Jugendlager teilzunehmen, wie er sie heute selbst organisiert. “Dieses Lager hat mein Leben nachhaltig verändert”, sagt er. Durch psychosoziale Unterstützung und Begleitung fand er zurück ins Leben. Bald begann er, sich für andere Kinder und Jugendliche zu engagieren. 2003 gründete er den Esandleni Sothando Trust (EST), um Jugendlichen in einer Lage, wie er sie einst durchlebte, eine Chance zu geben. EST ist in den Bezirken Empandeni and Figtree (rund 10 000 Einwohner) aktiv, wo gut 1800 Waisen und gefährdete Kinder leben. Etwa 200 Haushalte werden von Waisen geführt. terre des hommes schweiz verfolgt die Arbeit von EST seit zwei Jahren und unterstützt diese nun seit Anfang 2014.
Zum Artikel:
Dieser Artikel erschien zuerst in der aktuellen terre des hommes schweiz-Zeitung die Sie unter diesem Link als PDF herunterladen können.
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