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In Brasilien verhält sich die Polizei wie im Bürgerkrieg und nimmt immer wieder Unschuldige ins Visier.

Kriegsmaterialexport ausser Kontrolle

Medienmitteilung – Es besteht immer das Risiko, dass Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion bei Menschenrechts-verletzungen in anderen Ländern eingesetzt wird. Zum Beispiel in Brasilien, wo Waffen- und Polizeigewalt in den Armenvierteln zunehmen. terre des hommes schweiz fordert anlässlich der neusten SECO-Zahlen zur Kriegsmaterialausfuhr eine stärkere demokratische Kontrolle bei den Schweizer Waffenexporten. Die Entwicklungsorganisation, die sich für die Korrektur- und für die Kriegsgeschäfte-Initiative einsetzt, hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben.

«Es braucht eine stärkere demokratische Kontrolle der Schweizer Waffenexporte, gerade in Länder wie Brasilien, in dessen Armenvierteln kriegsähnliche Zustände herrschen», sagt Andrea Zellhuber von der Fachstelle Gewaltprävention bei terre des hommes schweiz anlässlich der Veröffentlichung der neusten Zahlen zur Kriegsmaterialausfuhr durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO).

Zwischen 1. Januar 2020 und 30. September 2020 hat die Schweiz Kriegsmaterial im Wert von rund 690 Millionen Franken in 60 Länder exportiert, zum Beispiel Waffen, Munition und Panzerfahrzeuge. Brasilien gehört zu den wichtigen Importländern der Schweizer Rüstungsexporte. In den Jahren 2006 bis 2019 exportierte die Schweiz Waffen im Wert von insgesamt rund 151 Millionen Franken nach Brasilien, in den ersten drei Quartalen des 2020 waren es gut 18 Mio. Franken Kriegsmaterial.

Tödliche Gewalt in Brasilien

«In Brasilien schürt die repressive Law-and-Order-Politik der rechtsnationalen Regierung die Waffen- und Polizeigewalt in den Favelas», sagt Andrea Zellhuber. «Die Coronakrise und Präsident Jair Bolsonaros fahrlässiger Umgang mit Covid-19 verschlimmern die Situation zusätzlich.» «Praktisch alle Jugendlichen und ihre Familien in unseren Projektregionen in Rio de Janeiro, Recife und Salvador da Bahia kennen Mordfälle in ihrem näheren Umfeld», erklärt sie. terre des hommes schweiz unterstützt in Brasilien lokale Projekte für und mit Jugendlichen und ihr soziales Umfeld zur Förderung einer gewaltfreien Gesellschaft und zur Unterstützung und Begleitung von Gewaltopfern.

Viele Morde an Jugendlichen werden durch Angehörige der brasilianischen Polizei verübt. «Es besteht ein sehr hohes Risiko, dass Waffen, die an Sicherheitskräfte verkauft werden, gegen die Zivilbevölkerung zum Einsatz kommen und es gibt grosse Mängel bei der internen und externen Kontrolle der Waffenbestände der Polizeibehörden in Brasilien», sagt Andrea Zellhuber.

Gemäss den neusten Zahlen des brasilianischen Jahrbuchs für öffentliche Sicherheit 2020 haben im ersten Semester diesen Jahres Todesfälle, die durch das Eingreifen der Polizei verursacht wurden, weiter zugenommen. 2019 wurden 47‘773 Menschen getötet. 6‘357 Morde oder 13,3 Prozent aller Morde wurden von Polizisten und Polizistinnen verübt ‒ das ist das sechste Jahr in Folge, in dem diese Zahl gestiegen ist.

Studie zu Waffengewalt

Um die direkte Auswirkung von Waffen und Munition aus Schweizer und deutscher Herstellung zu dokumentieren, mit denen in Brasilien nachweislich Menschenrechtsverletzungen begangen werden, hat terre des hommes schweiz gemeinsam mit terre des hommes in Deutschland eine unabhängige Studie in Auftrag gegeben, deren Veröffentlichung im ersten Quartal 2021 geplant ist.

Erste Zwischenergebnisse der Untersuchung zeigen: Nicht selten werden bei Tötungsdelikten und anderen schweren Vergehen Kugeln aus Polizeibeständen gefunden. «Es ist weit verbreitet, dass Waffen aus den Beständen von Polizei und Militär auf illegale Weise in die Hände von Drogenbanden gelangen», sagt Andrea Zellhuber. «In Brasilien ist das organisierte Verbrechen eng mit dem staatlichen Sicherheits-apparat verflochten. Die staatliche Kontrolle in Brasilien darüber, wie Waffen und Munition letztlich eingesetzt werden, ist mangelhaft. Es besteht deshalb eine grosse Gefahr, dass Schweizer Rüstungsgüter, die nach Brasilien verkauft werden, an unerwünschte Empfänger gelangen.»

In der Allianz gegen Waffenexporte

terre des hommes schweiz ist Mitglied der «Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» und setzt sich für die Korrektur-Initiative ein. Das Volksbegehren, zu dem ein Gegenvorschlag in zwei Varianten in der Wintersession im Parlament behandelt wird, sei «eine wichtige Chance, um die Lockerung der Bewilligungskriterien für Kriegsmaterial-Exporte rückgängig zu machen», so Andrea Zellhuber.

terre des hommes schweiz unterstützt auch die Kriegsgeschäfte-Initiative, über die am 29. November 2020 abgestimmt wird. Sie will verhindern, dass Schweizer Geld in die Finanzierung von Kriegsmaterial fliesst.

terre des hommes schweiz stärkt Jugendliche in Afrika, Lateinamerika und der Schweiz. Gemeinsam mit ihnen bekämpfen wir Armut, Gewalt und Diskriminierung und setzen uns für die Rechte von Kindern und Jugendlichen und gerechte Nord-Süd-Beziehungen ein. Unsere Kernkompetenz liegt im partizipativen und lösungsorientierten Arbeiten mit Jugendlichen.


Kontakt:
Andrea Zellhuber, Fachstelle Gewaltprävention: andrea.zellhuber(at)terredeshommes.ch, +41 61 335 91 52

Medienstelle: anna.wegelin(at)terredeshommes.ch, +41 76 588 30 06

Link:
Kampagne Waffenhandel

Externer Link:
SECO-Zahlen und Statistiken 2020

Foto: AP/Silvia Izquierdo

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