imagine Basel ist mehr als ein Festival: In Workshops vermitteln junge Menschen anderen Jugendlichen, wie sie Diskriminierung erkennen und ihr entgegenwirken. Nina Hurni, Verantwortliche für die Workshops, hat das Angebot neu überarbeitet. Im Interview erzählt sie, wie Jugendliche mit kreativen Methoden sichere Räume für Diversität in ihrem Umfeld schaffen.
Nina, um was geht es in den neuen Workshops, die du entwickelt hast?
Ein Workshop dreht sich um das Thema Flucht: Anhand von persönlichen Fluchtgeschichten können die Jugendlichen nachempfinden, was es bedeutet, fliehen zu müssen. In einem anderen Workshop zeigen wir den Teilnehmer*innen, wie sie auf alltägliche Diskriminierungssituationen reagieren können. Und im letzten Workshop entwickeln Jugendliche mit der Methode «Design Thinking» Projekte, um Diskriminierungsformen in ihrem Schulumfeld zu thematisieren. Mir ist es wichtig, nicht in erster Linie Wissen zu vermitteln, sondern jungen Menschen Handlungsmacht zu übertragen.
Im Workshop «Design Thinking» entwickeln die Jugendlichen konkrete Lösungen, um mehr sichere Räume zu schaffen. Weshalb ist das wichtig?
Sicherer Raum (engl. «Safe Space») steht für einen Idealzustand, in dem sich Menschen sicher fühlen können. Ein Raum kann sicher sein für eine Menschengruppe, für eine andere aber nicht, weil es beispielsweise viele rassistische Kommentare gibt. In einer Schulklasse geht es darum, die Sensibilität zu vermitteln, nicht diskriminierend miteinander umzugehen. Damit sich möglichst verschiedene Jugendliche wohl fühlen können.
Wie ist dieser Workshop aufgebaut?
Zuerst machen wir eine Simulationsübung mit den Teilnehmer*innen, in der sie einen willkürlichen Vorteil oder Nachteil haben. Dies zeigt ihnen, wie Diskriminierung funktioniert: Anhand von Kategorien, auf die wir keinen Einfluss haben, haben wir Privilegien oder werden diskriminiert. Dann geht es darum, die Schule als Umfeld zu analysieren: Wo werden Menschen hier diskriminiert? Davon ausgehend wählen sich die Jugendlichen einen Brennpunkt aus, den sie angehen wollen und entwerfen Projekte, um eine Lösung zu finden. Das kann zum Beispiel ein Brief an die Schulleitung, eine Unterrichtseinheit oder ein Thementag sein.
Kannst du uns von einem Projekt erzählen, das Jugendliche so bereits entwickelt haben?
Beim letzten Workshop bemerkte eine Gruppe, dass es kaum geoutete queere Personen, also beispielsweise homo- oder transsexuelle Personen, in ihrer Schule gibt. Zuerst musste es deshalb darum gehen, ein Klima zu schaffen, in dem sich Menschen für ein Outing sicher fühlen. Sie schlugen vor, einen Thementag zu machen, an dem sie zu Queerness aufklären.
Die Ausarbeitung der Workshops ist zwar abgeschlossen, doch die Diskurse über Diskriminierung verändern sich ständig. Wie gehst du damit um?
Es ist mir wichtig, auf dem aktuellen Stand der Diskriminierungsdiskurse zu bleiben. Die Sprache ist ein gutes Beispiel: Sie ist bis in ihre Grundstrukturen durchsetzt mit Diskriminierungsformen. Neue Bezeichnungen zu finden ist ein Prozess, weshalb sich Begrifflichkeiten im Moment ständig verändern. Für uns in der Vermittlung ist das wichtig zu beachten, schliesslich legen wir Wert darauf, möglichst ohne diskriminierende Begriffe über Diskriminierung zu reden. Die Ausarbeitung der Workshops ist somit ein nie abgeschlossener Prozess.
Das Interview führte Luciano Gagliardi, Projektkoordination imagine und Internationales Jugendnetzwerk, Fachstelle Jugendpartizipation
Kurz erklärt: Design Thinking
Dieser Ansatz dient dazu, Herausforderungen zu lösen und neue Ideen zu entwickeln. Er basiert auf der Überzeugung, dass das Lösen von Herausforderungen effektiver ist, wenn Menschen mit verschiedenen Perspektiven zusammenarbeiten und die betroffenen Menschen aktiv ins Finden und Umsetzen der Lösung eingebunden sind.